Buddha und sine Fru
Kultur Extra, 18.05.2011
„Yasodhara und Buddha“ von Harald-Alexander Korp
Buddha einmal anders, nämlich aus feministischer Sicht, schildert der Berliner Theaterautor Harald- Alexander Korp in seinem neuen Stück „Yasodhara und Buddha“, das derzeit in einer Kirche in Berlin- Kreuzberg aufgeführt wird. Schon im Titel stellt Korp die Ehefrau des Religionsgründers voran und auch im Stück nimmt der Autor vielfach die Perspektive Yasodharas ein, der verschmähten Gattin. Denn bevor Buddha die Erleuchtung fand und seine Lehre vom Gleichmut den Siegeszug über den asiatischen Kontinent antrat, war er eigentlich für eine gänzlich andere Rolle vorgesehen: Als Prinz Siddharta sollte er künftiger Herrscher über ein zentralasiatisches Reich werden und der Tradition folgend heiraten und einen männlichen Nachfolger zeugen. Siddhartas Streben nach Vergeistigung durchkreuzte nicht nur die monarchischen Pläne seiner Eltern, sondern ging vor allem auf Kosten seiner Frau Yasodhara, mit der er immerhin schon ein gemeinsames Kind hatte, bevor er seine Familie im Stich ließ, um sich höheren Aufgaben zuzuwenden.
Buddha – ein egoistischer Beziehungsverweigerer, der sich der Verantwortung als Vater und Ehemann entzieht, bevor er seine Leistungsverweigerung zum Prinzip erhebt? Ganz so einfach wie die Küchenpsychologie in einer Reality-Daily-Soap liegen die Dinge freilich nicht. Denn die im christlichen Westen verschüttete bzw. weithin unbekannte Initiationsgeschichte Siddhartas mündete – glaubt man den Überlieferungen – in ein veritables Familiendrama voller fragiler Konstellationen: Erschüttert wird das Verhältnis zwischen den Eheleuten selbst, aber auch zwischen dem Brautpaar und den enttäuschten Eltern des Bräutigams sowie zwischen dem Bräutigam und dem eifersüchtigen Bruder der Braut, der dem Religionsstifter gar nach dem Leben trachtete. Harald-Alexander Korp blättert dieses Beziehungsgeflecht unterhaltsam, aber mit spürbarem Respekt vor den Figuren und ihren Standpunkten auf und nutzt dazu auch Passagen aus Buddhas ‚Bibel‘, dem Pali-Kanon. Ansonsten hat Korp die Überlieferungen der Siddharta-Legende überzeugend in fiktive Dialogszenen gegossen.
Der durch Siddhartas Verhalten entstandene Widerspruch, dem als unerträglich erkannte Leiden der Menschheit durch Weisheit gegenüberzutreten, zugleich aber die eigene Frau deswegen leiden zu lassen, wurde erst durch die Adaption der Erkenntnis des Ehemannes durch die Ehefrau in einer gemeinsamen Erleuchtung aufgehoben: Yasodhara, die Wegbereiterin buddhistischer Frauenklöster war, ging quasi den umgekehrten Weg Katharina von Boras, die Luther zuliebe aus dem Kloster floh. Yasodharas Schicksal ist das zentrale, wenngleich nicht das einzige Thema in Korps aufschlussreichem Stück, das die junge Regisseurin Corinna Jarosch trotz beträchtlicher Kürzungen konsequent als Ensemblestück belassen hat, in welchem die verschiedenen Ebenen des Familiendramas fein austariert sind.
Wirkungsvolle Unterstützung erhält Jarosch durch das prononcierte Bühnenbild Marc Löhrers, der aus den wenigen, zur Verfügung stehenden Mitteln das Maximum herausholt, sowie die guten bis sehr guten Schauspieler. Eine wahre Wonne sind Maximiliane Mihajlovic und Benjamin Levent Krause, die als ein Rosencranz-und-Guildenstern-Pendant mit Dynamik, Witz und vollem Körpereinsatz für die notwendige Erdung der Handlung sorgen.
Max-Peter Heyne - red. 18. Mai 2011